Gruppenstunde nach Sommerpause

Auch für über-70-Jährige sind die Ferien vorbei

Es ist schön, wenn das Stimmengewirr der 12 Damen, die sich zum Gedächtnistraining treffen, den kleinen Raum belebt. Die Scheibenvorhänge halten auch nach mehrmaligem Bekleben nicht auf den Fenstern, da muss wohl Hammer und Nagel her. Dafür haben wir endlich Tische, die gleich hoch sind. Die Tafel, die eigentlich im Weg steht, werde ich jetzt öfter benutzen, damit sie vom Status des ungeliebten Gegenstandes in einen Nutzgegenstand kommt. Dann nimmt man das daran Vorbeiwurschteln in Kauf. Ich versuche die Ladys zu unterbrechen, damit wir anfangen können. Aber sie sind fast nicht zu bremsen. Sie haben sich schließlich drei Monate nicht gesehen und da muss man schon einiges austauschen oder die Hausübung abschreiben. Es ist fast wie damals in der Schule, als wir unsere Mitschüler nach den Ferien das erste Mal wiedergesehen haben.

Nach der endlich erfolgten Begrüßung vergleichen wir die Hausübung, manche waren wieder sehr kreativ und haben neue Lösungen gefunden, auf die ich nie gekommen wäre. Manche haben sich auch Unterstützung geholt.
„Mein Mann hat gesagt, das kann ich so schreiben“
„Ich habe keinen Mann mehr, ich kann niemand fragen.“
„Bei der Aufgabe hat mir meine Enkelin geholfen.“
„Diesmal habe ich es ganz alleine geschafft.“
Schön, wie vielfältig die Gruppe ist.

Das Geburtstagslied, angestimmt von meiner Alzheimer-Dame, klingt wie immer wunderschön. Da macht es nichts, wenn ich nicht singen kann, das erledigen die anderen im Chor.

 

Den Sommer verlängern

In der Tischmitte liegen rund um den Blumenstrauß ein kleiner Koffer, eine Sonnenbrille, ein Segelboot, ein paar Muscheln, eine Bürste, ein Spiegel, ein Rucksack, und eine Fahrkarte. Es geht um das Thema Reisen. Und so beginnen wir gleich mit einer Übung für das Kurzzeitgedächtnis und kramen in unserem Wortschatz. Wir suchen jeder einen Satz der enthalten soll, mit wem ich wo hinfahre und was ich mitnehme. Die Antworten auf die drei Fragen „wer, wo, was“ sollen alle mit dem gleichen Anfangsbuchstaben beginnen. Ich fahre mit der Anna nach Amsterdam und nehme ein Adressbuch mit.

Mein Beispielsatz ist richtig langweilig im Gegensatz zu dem, was jetzt von den Senioren kommt. Die unterschiedlichen Ideen der Damen lassen herrliche Bilder im Kopf entstehen, wenn zum Beispiel die Linda mit der Gertraud nach Griechenland fährt und die Gartenschere mitnimmt.

Oder Caroline mit Theo nach Teneriffa reist und das Trampolin mit im Gepäck hat. Und ob Hermine wirklich den Onkel mit nach Oslo nimmt, wo sie doch auch Ohropax einpacken muss, ist fraglich. Mit der Finni nach Finnland den Fingerling mitnehmen ist schon fast ein Zungenbrecher. Zwischen überlegen und Sätzen kreieren amüsieren wir uns über unsere Einfälle und merken gar nicht, dass es effektives Gedächtnistraining ist.

 

Heiteres Gedächtnistraining – Kofferpacken

Wir machen eine weitere Übung zum Kurzzeitgedächtnis und suchen nach Dingen, die wir in den Koffer packen können. Die Wörter werden immer wiederholt und ein neues kommt dazu. Hier ist vollste Konzentration gefordert.
„Ich packe in meinen Koffer eine Sonnenbrille.“
„Ich packe in meinen Koffer eine Sonnenbrille und einen Pyjama.“
Viele Senioren haben einen ähnlichen Wortschatz und so kommt es immer wieder vor, dass der Begriff, den man sich gerade überlegt hat, gerade jemand anderer sagt.
„Das wollte ich auch sagen.“ Die Konzentration ist unterbrochen und es dauert, bis die Wortkette wieder in Schwung kommt. Auffallend ist, dass sehr viele Dinge aus dem Medikamentenschrank in den Koffer kommen. Es liegt wohl daran, dass die Senioren schon so ihre Wehwechen haben. Gut, dass eine zumindest ein Buch mitnimmt.

 

Angekommen im Herbst

Nach diesen Übungen zum Wortschatz teste ich Aufmerksamkeit und Reaktion. Jeder bekommt ein buntes und ein weißes Tuch und je nach Begriffen, die ich vorlese, müssen sie entweder das eine oder das andere Tuch hochheben. Begriffe die zu Herbst passen, weißes Tuch mit rechter Hand hoch, Begriffe die nichts mit Herbst zu tun haben, buntes Tuch linke Hand hoch. Da entstehen Diskussionen, ob der Schulanfang jetzt im Herbst ist oder nicht, ob Sonnenblumen im Sommer oder im Herbst blühen, ob man Drachensteigen nicht auch im Frühling machen kann, und so weiter. Der Bärlauch ist da eindeutiger. Gut, wenn sie untereinander zum Diskutieren anfangen.

 

Gedächtnistraining – schon vorbei

Nach weiteren Übungen zur Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration und zur Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses sowie Bewegungsübungen ist die Gruppenstunde schnell vorbei. Dann noch Hausübung austeilen, mindestens zwei Zettel wollen sie haben zum Gedächtnistraining für daheim. Zwei haben es heute besonders eilig und müssen pünktlich weg. Dann singen wir noch „Wenn wir erklimmen“, weil wandern zum Urlaub passt und zum Altweibersommer und zum Herbst. Aber alte Weiber stelle ich mir anders vor als meine Silver Ladies.