War früher wirklich alles besser?

24. Dezember 2021

Ich bin beim Suchen nach Weihnachtstexten auf Zeilen gestoßen, die ich im Dezember 2019 aufgeschrieben habe. Alle Jahre wieder wird irgendwann vor Weihnachten die Frage aufgeworfen, ob früher alles besser war. Ich habe einen Zeitungsartikel, der sich mit diesem Thema befasst, mitgenommen und meine Teilnehmer*innen am Gedächtnistraining dazu befragt.

 

Hier ein Auszug der Antworten:

Hilde, 77
„Es war ruhiger, wir waren bescheidener, die Kinder heute haben ja schon alles.“

Brigitte, 87
„Das war am 15. Dezember 1944. Morgen ist es 73 Jahre her.“ Sie zeigt uns ein Foto. Darauf ist ein zerstörtes Haus zu sehen. Krieg. Ausgebombt. „Eine Woche vor Weihnachten. Ich war 14 und hatte drei Geschwister. Wir wohnten dann im Pfarrhof, aber der ist später auch zerstört worden. Das war nicht schön.“

Antonia, 83
„Das Älterwerden ist schön. Ich erlebe so viele schöne Sachen. Es gefällt mir.“ Antonia ist aufgrund ihrer Gebrechlichkeit und Alzheimer-Diagnose auf Rollator und 24stunden Betreuung angewiesen.

Franziska, 79
„Die Häuser waren so weit auseinander. Aber man hat sich getroffen. Wenn wo eine Sau abgestochen wurde, hat man es irgendwie erfahren. Und dann ist man zusammengekommen. Im Winter war viel Schnee und wir mussten immer den Weg schaufeln. Aber wir haben absichtlich ganz viele Kurven gemacht.“ Franziska lacht verschmitzt.

Charlotte, 77
„Jetzt bin ich schon 77 und weiß nicht, was Pottasche ist. Ich will morgen mit meiner Enkelin Kekse backen und da steht Pottasche“
„Kannst auch Natron nehmen.“
„Nimm ein anderes Rezept.“
„Du hast eh ein Handy mit, schau nach.“ Diese Aufforderung ist an mich gerichtet. Das Handy weiß alles.

Walpurga, 96
„Beim Räuchern sind wir immer mitgegangen. Durch die Zimmer und auch in den Stall. Damit die Kühe gesund bleiben. Mit Weihrauch und Myrrhe. Das war immer schön. Gegessen haben wir nach der Mette. Das Wichtigste an Weihnachten waren die Geschenke.“

 

War es früher besser?

Wie sehen wir das heute, zu Weihnachten 2021? Dem zweiten Weihnachten hintereinander in Zeichen von Covid.

Ich habe gestern meine Weihnachtspost an meine Teilnehmer*innen ausgeteilt. Alle haben sich sehr gefreut und mit jeder*m habe ich ein „Gartenzaungespräch“ geführt. Schwanken zwischen Hoffen und Resignation, Trauer darüber uns schon länger nicht in der Gruppe gesehen zu haben, Mutlosigkeit was die Treffen im neuen Jahr betrifft. Im Vertrauen, ich konnte trotzdem Funken der Hoffnung bringen, begehe ich mein persönliches Weihnachtsfest 2021 in einer Mischung aus präsent und online. Die Umstände verlangen es so.

War es früher besser? Früher vor 2 Jahren, früher vor 10 Jahren, früher vor 25 Jahren oder früher vor 70 Jahren oder mehr?
Schwer zu sagen. Es war einfach anders. Doch der Grundgedanke von Weihnachten ist immer der gleiche. Wir feiern die Geburt Jesu. Gott ist allgegenwärtig – Ich bin da.